Beschreibung
1987 druckte der Deutsche Gewerkschaftsbund auf seine Plakate zur 1.-Mai-Demo den Slogan:
„Arbeit schaffen, Umwelt schützen, Technik sozial gestalten.“ In diesem Aufruf zeigt sich das Selbstverständnis der deutschen Gewerkschaften: mehr zu sein als bloße Interessenvertretung der Arbeiter*innenklasse – nämlich politische Akteure, die sich für gesamtgesellschaftlichen Fortschritt einsetzen. Angesichts der Herausforderungen unserer Zeit – Klimakrise, ökologische Katastrophen, Aufrüstung und Krieg, wirtschaftliche Rezession, demokratische Erosion von rechts sowie zunehmende Prekarisierung und soziale Ungleichheit – wollen wir einen Blick auf die Rolle der Gewerkschaften werfen: sowohl als Teil der Lösung als auch als Betroffene dieser Entwicklungen. Ziel unseres Wochenendseminar ist es zu verstehen, welche Bedeutung Gewerkschaften in einer sozial-ökologischen Transformation einnehmen können, wie sie Mittler und Sammelbecken von sozialen Bewegungen sein können und wie Methoden des Arbeitskampfs für politische Ziele eingesetzt werden können. Dabei möchten wir besonders auf ökologische Kämpfe eingehen und anhand von konkreten Beispielen wie die Aktion “Wir fahren zusammen” deren Wirkmächtigkeit analysieren. Zugleich möchten wir uns mit den aktuellen Herausforderungen für Gewerkschaften beschäftigen: der tiefgreifende Wandel der Arbeitswelt, die zunehmende Individualisierung sozialer Fragen und das Erstarken rechter Strömungen stellen neue Anforderungen an gewerkschaftliche Arbeit. Mit Unterstützung von Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis wollen wir gemeinsam diskutieren, welcher Wandel nötig ist, damit Gewerkschaften in Zeiten multipler Krisen weiterhin handlungsfähig bleiben. Wir legen wert darauf euch sowohl einen generellen Überblick über die Gewerkschaftslandschaft und in Deutschland zu geben, als auch anhand konkreter Beispiele – etwa aus dem Krankenhaussektor oder dem Lokführerstreik – die Schwierigkeiten, aber auch die Potenziale organisierten Arbeitskampfes aufzuzeigen. Wir laden euch herzlich ein, gemeinsam mit uns ein Wochenende in Leipzig zu verbringen. Politische oder juristische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich – wir freuen uns auf ein lernintensives, solidarisches Miteinander!
Output
Zukunftsnarrativ Gewerkschaften 2035
Im Jahr 2035 sind Gewerkschaften in Deutschland zu zentralen politischen Gestaltern einer demokratischen Wirtschaftsordnung avanciert. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) agiert heute überparteilich und beeinflusst Kapitalströme vornehmlich indirekt durch gezielte Lobbyarbeit für staatliche Investitionen in erneuerbare Energien, Energiespeicher und nachhaltige Mobilitätsprojekte. Gleichzeitig hat die ökonomische Spaltung der Gesellschaft deutlich abgenommen und signalisiert eine Rückkehr zu größerer Einkommensgerechtigkeit.
Ein wegweisendes Urteil im Gorillas-Fall 2032 hat das Streikrecht revolutioniert: Wilde, basisgestützte Arbeitsniederlegungen sowie politische Streiks sind seither ausdrücklich geschützt und ein anerkanntes Instrument gesellschaftlicher Mitbestimmung.
Die inklusive Mobilisierung marginalisierter Gruppen trägt maßgeblich zum Erfolg der Gewerkschaften bei. Der FLINTA*-Anteil in deutschen Gewerkschaften hat sich mehr als verdoppelt, ermöglicht durch niedrigschwellige Angebote, mehrsprachige Kommunikation und peer-to-peer-Mentoring. Auch Menschen mit mehrfachen Diskriminierungserfahrungen finden in Gewerkschaften sichere Räume für Mitbestimmung. Der Anteil der Arbeitnehmenden, die gewerkschaftlich organisiert sind, hat sich auf knapp die Hälfte aller Beschäftigten erhöht. Auch tarifgebundene Beschäftigungsverhältnisse sind heutzutage die Regel. In vielen Branchen hat sich die 32 Stunden Woche als förderliches Modell für Effizienz und Mitarbeitendenzufriedenheit etabliert.
Gemeinsam mit anderen europäischen Gewerkschaften hat der DGB federführend eine signifikante Vermögenssteuer auf EU-Ebene mobilisiert und deren politische Einführung erreicht. Kapitalabwanderung wurde durch neue Steuergesetze erschwert, was stabile Rahmenbedingungen für inländische Investitionen schafft.
In lokalen Transformation Labs und Umschulungszentren haben Beschäftigte zusammen mit Forschungseinrichtungen und regionalen Akteuren praxisnahe Qualifizierungsprogramme entwickelt, um den Strukturwandel in ehemaligen Kohle- und Automobilregionen nachhaltig zu gestalten. Diese Angebote sichern neue berufliche Perspektiven und stärken das Vertrauen in eine grüne Zukunft.
Unter dem Motto „Gemeinsam Zukunft gestalten“ haben sich Gewerkschaften von alten Klischees gelöst und haben sich zu modernen, inklusiven Begegnungsorten entwickelt. Als verbindendes Rückgrat einer solidarischen Demokratie sichern sie Arbeitsrechte, fördern Diversität und gestalten aktiv den ökologischen und technologischen Wandel aller Branchen mit.